Kochbuch-Rezension: Immer schon vegan

Kochbuch-Rezension: Immer schon vegan

24. Februar 2019 2 Von Winona

Immer schon vegan. Traditionelle Rezepte aus aller Welt lautet der Titel meines momentanen Lieblingskochbuchs, das 2015 beim österreichischen Verlag Brandstätter erschien. Das Programm wird dabei schon deutlich: Es geht um vegane Rezepte, die in ihrer jeweiligen Landesküche schon lange so gekocht werden – mit natürlichen Zutaten. Allein das ist mir als Ansatz schon sympathisch, denn, so erklärt es die Autorin Katharina Seiser im Vorwort, es gebe zwar mittlerweile unheimlich viele vegane Kochbücher, aber kaum eines komme ohne Ersatzprodukte aus, also „hochverarbeitete Produkte aus industrieller Fertigung“, die auch ich wegen ihrer Zusatzstoffe und Geschmacksarmut meide. Endlich! Die Frau spricht mir aus dem Herzen.

 

Aber nicht nur deswegen möchte ich Immer schon vegan uneingeschränkt empfehlen. Die 70 Rezepte aus 20 Ländern umfassen Schätze wie „Sommerrollen mit Erdnussdip“, „Artischocken mit Favabohnen“ oder schlicht „Spargel mit Kerbelvinaigrette.“ Viele Rezepte sind bodenständig und uns hierzulande als Klassiker bekannt, wie z.B. die spanische Gazpacho, mexikanische Guacamole oder Bratäpfel. Andere fordern mich in neue kulinarische Gebiete wie thailändischer „Klebereis mit Mango“ oder kubanischer „Ananas-Avocado-Salat“. Köstlich ist alles, was ich bislang ausprobiert habe (ich würde sagen etwa 30/70) und der Ausdruck „Soulfood“ scheint mir dafür mehr als passend. Gegliedert ist das Buch saisonal durch die vier Jahreszeiten, außerdem gibt es eine „Jederzeit“-Sparte, eine kleine Geschmackskunde und ein Glossar für exotische Zutaten, das einem beispielsweise erklärt, was Garam Masala oder Jaggery ist. Das Schlussregister ist übersichtlich nach Zutaten und Ländern geordnet und auch die Zutaten-Varianten (z.B. etwas anders zu würzen oder Möhren durch anderes Wurzelgemüse zu ersetzen), die erfreulich oft zu den Rezepten angegeben werden, sind hier mit aufgeführt.

Einfache, unkomplizierte Gerichte wie „Erdnusseintopf mit Süßkartoffeln“, „Linsen mit Nudeln und karamellisierten Zwiebeln“ oder „Gerösteter Blumenkohl mit Tarator“ sind zu Standards in meinem alltäglichen Kochrepertoire geworden. Aber auch aufwendigere Geschichten, die das Herstellen von Teigen erfordern, gelingen sicher: Die libanesischen Mangoldtaschen und die polnischen Piroggen habe ich nun mehrfach zubereitet, weil sie himmlisch sind. Hier ist außerdem bemerkenswert, wie exakt die Zutatenangaben und Anweisungen sind. Das Verhältnis von Teig und Füllung stimmt einfach genau, Gewürze werden gezielt und bedacht eingesetzt, die Teige halten auch ohne Ei wunderbar. So sorgfältig recherchierte und klar geschriebene Rezepte findet man tatsächlich selten.

Das hat vielleicht auch mit der Verfasserin zu tun: Katharina Seiser treibt sich internettechnisch auf ihrer Website und mehreren Social-Media-Kanälen herum. Die Wiener Journalistin, Köchin und Autorin weist sich dort als kulinarische Expertin aus. Als solche hat sie unter anderem auch die empfehlenswerte Brandstätter-Reihe vegetarischer Landesküchen (Österreich, Deutschland, Italien, Türkei, USA und Spanien gibt es bisher) herausgegeben. Sie setzt sich für Bio-Lebensmittel und gute Küche ein, vor allem geht es ihr um richtig guten Geschmack. So startete Immer schon vegan als Selbstversuch im Auftrag einer Zeitschrift. Seiser isst ansonsten auch Fleisch, findet die Idee des Veganismus und das Reduzieren des Fleischkonsums aber gut. Auch hier: Endlich! Jemand, der hohe Ansprüche an seinen kulinarischen Genuss hat – und zeigt, dass das mit ökologischer Verantwortung total vereinbar ist.

Auch das kommt mir wie eine Ausnahme vor: Die (gehobene) Gastronomie und Kochbuchlandschaft spaltet sich meines Erachtens immer noch zu sehr in zwei Lager. Auf der einen Seite Gourmets der alten Schule, bei denen vier von fünf Menügängen Fleisch oder Fisch enthalten, während vegetarische Alternativen höchstens der Nachfrage wegen angeboten werden, oft aber unkreativ ausfallen. Oder hippe, jüngere Küchen-Chef*innen, die mit dem Vegetarismus liebäugeln, aber auch nur gerade so weit gehen, dass ja keine Fans vergrault werden. Auf der anderen Seite: die wachsende fleischfreie Szene von Blogger*innen und Kochenden, die zwar viel Leckeres hervorbringt, bei der für mich aber oft der Eindruck entsteht, dass unter dem Motto “Hauptsache vegan und photogen” beherzt zu Ersatz-Zutaten gegriffen und das Geschmackserlebnis zweitrangig wird. Immer schon vegan ist der Gegenbeweis: Gut Kochen und Veganismus gehen zusammen!

Und, um zu guter Letzt wieder zum Buch zurückzukommen: Es ist hübsch. Ein einfaches Design, eingefasst in einen angenehmen Leineneinband mit Stoff-Lesebändchen. Fotos von Vanessa Maas, die einfach nur die Gerichte ansprechend präsentieren, ohne Deko-Schnickschnack oder übertriebene Farbkorrekturen. Auch orthographisch stimmt alles. Die Erscheinung passt zum Inhalt und unterstützt den Grundgedanken: Immer schon vegan ist eine sehr gelungene, sorgfältig verfasste Sammlung von traditionellen pflanzlichen Gerichten zum Nachkochen, die durch Geschmack und intensive Aromen überzeugen.

Für die kürzlich gepostete Winterbowl habe ich schon Katharina Seisers Linsensalat leicht abgewandelt, als Kostprobe möchte ich hier ein weiteres meiner liebsten Winter-Rezepte aus dem Buch anfügen:

 

Piroggen mit Sauerkraut-Pilz-Füllung

Pierogi – Polen

 

 

Zutaten für 4 

 

Für den Teig

300 g Weizenmehl (Type D 550, Ö W700 glatt)

1 schwacher TL Salz

200 ml Wasser, davon 150 ml kochend

1 EL Pflanzenöl

 


Für die Füllung

500 g mildes, rohes, möglichst unpasteurisiertes Sauerkraut

2 Lorbeerblätter

Salz

200g braune oder weiße Champignons

1 kl. Zwiebel

3 EL Sonnenblumenöl

1 TL Pilzpulver (Steinpilze oder gemischt)

weißer Pfeffer

 

 

Zum Schwenken

2 Zwiebeln

4 EL Sonnenblumenöl

½ Bd. Petersilie

 

  1. Mehl und Salz in einer Schüssel mit einer Gabel mischen, 150 ml kochendes Wasser mit der Gabel oder dem Knethaken des Mixers rasch einrühren, 50 ml kaltes Wasser und Öl untermischen, 2-3 Minuten mit der Hand zu einem glatten Teig kneten. In Folie wickeln, mind. 30 Minuten ruhen lassen.
  2. Für die Füllung Sauerkraut knapp mit Wasser bedeckt mit Lorbeer und evtl. Salz in 20 minuten weich dünsten. In einem Sieb abtropfen lassen. Lorbeer entfernen. Sauerkraut sehr gut ausdrücken und klein hacken. Pilze putzen, fein hacken. Zwiebel schälen und fein würfeln. Im heißen Öl anschwitzen, Pilze beifügen und 2-3 Minuten braten, bis sie weich werden. Sauerkraut und Pilzpulver dazugeben, gut durchrühren, großzügig mit Pfeffer und Salz abschmecken, in einer Schüssel abkühlen lassen.
  3. Zwiebel schälen, nicht zu fein würfeln, in heißem Öl auf mittlerer Hitze goldbraun schmoren, leicht salzen, vom Herd ziehen. Petersilie waschen, trocken tupfen, Blätter abzupfen und nicht zu fein schneiden, abgedeckt beiseitestellen.
  4. Teig vierteln, 3 Viertel mit Folie bedecken, 1 Viertel auf bemehlter Arbeitsfläche ca. 2 mm dünn ausrollen, Kreise von ca. 8 cm Durchmesser ausstechen, je 1 TL Füllung daraufsetzen, zusammenschlagen, Ränder behutsam, aber gründlich auseinanderdrücken. Falls der Teig zu trocken wird, Ränder vor dem Verschließen mit wenig Wasser bepinseln.
  5. Taschen in einem weiten Topf in sprudelnd kochendes Salzwasser einlegen, 2-3 Minuten leicht wallend garen, bis sie weich und leicht durchscheinend sind. Herausnehmen, gut abtropfen lassen, in der Pfanne mit den Zwiebeln schwenken, anrichten, mit Petersilie und grob geschrotetem weißen Pfeffer betreuen Sofort servieren.

Tipps

Dazu passt Bier und ein knackiger grüner Salat.

Man kann die Piroggen in den Zwiebeln auch knusprig anbraten.

Falls die Füllung zu feucht sein sollte, mit 1-2 TL Semmelbröseln binden.

 

 

Variante

Statt frischer Champignons und Pilzpulver kann man auch 20 g getrocknete Steinpilze verwenden: in einem Sieb kurz abspülen, in wenig warmem Wasser einweichen, abseihen, Einweichwasser zum Kochen des Sauerkrauts mitverwenden.