Wieso ich auf dem Wochenmarkt einkaufe

Wieso ich auf dem Wochenmarkt einkaufe

30. September 2018 0 Von Winona

Im Vorbeigehen rieche ich Honigmelonen und frische Minze. Ich fasse die Pfirsiche an, um zu sehen, ob sie schon reif sind, und halte gleichzeitig Ausschau nach dem hübschesten Salatkopf. Die knackigen Stangenbohnen stelle ich mir schon in zweierlei Zubereitung vor: einmal mit Essig, Honig und Senf zu einem Salat durchgezogen zu der übrigen Möhrenpfanne von gestern, einmal als Bestandteil eines tomatigen indischen Currys. Und schließlich kaufe ich reife, bildschöne Beeren für mein morgendliches Müsli. Ein Sommertag auf dem Markt, juhu!

 

Wohltuende Routine

Auf den Markt zu gehen ist ein fester Bestandteil meines Alltags, der mich glücklich macht. Wie toll ist das? Eine Notwendigkeit des Erwachsenendaseins – regelmäßig Essen einkaufen – wird für mich zu einem heilenden Ritual.

Bin ich normalerweise mit dem großen, vielfältigen Mainzer Wochenmarkt schon verwöhnt, kann ich in mein Auslandsjahr in Paris sogar theoretisch jeden Morgen einen anderen Markt in meiner Nähe ansteuern. Seit ich den guten Stoff gekostet habe, interessieren mich Supermärkte kaum noch. Klar, die gehen schneller und haben abends auf. Wer Vollzeit arbeitet, hat nur am ohnehin vollgestopften Wochenende die Möglichkeit, zum Markt zu gehen und opfert den kostbaren Schlaf eher ungern, um Samstag früh dort zu sein. Aber ich will zumindest einen Anreiz geben, wieso es sich lohnt, Zeit und ein bisschen Aufwand zu investieren, um öfter zum Markt zu gehen.

 

Das bessere Zeug

Ein wichtiger Grund ist sicherlich die Qualität. Ich behaupte, dass man auf dem Markt die hochwertigeren – da weniger Schönheits- und Verpackungsstandards unterlegenen – Lebensmittel findet.

Schon mal grüne, kräftig-unverletzte Spinatblätter von der Erde befreit und an Nudeln geworfen statt einen Plastikbeutel aufzumachen, die matschigen Blätter zu entfernen und den muffigen Geruch zu ignorieren? Es ist ein geschmacklicher Unterschied. Der trifft natürlich nicht auf jedes einzelne Stück Gemüse zu, aber im Durchschnitt schon.

Denn ich habe ja auch eine ganz andere Auswahl: Bei einem prüfenden, nebenbei Preise vergleichenden Gang über den Markt kann ich mir erst mal ein Bild machen, bei welchem Stand ich meinen Mangold gerne kaufen will. Je nach Größe des Marktes wird bei einem der zwei bis 20 Stände die Mangold anbieten, sicher ein richtig schöner dabei sein. Und wenn tatsächlich nicht, habe ich genug Alternativen.

 

Das Drumherum

Ein weiterer Punkt ist das Einsparen von Verpackung, insbesondere kurzlebigem Plastik, das gefährlich für unser Ökosystem ist und das wir mitbezahlen. Zwar muss ich auf dem Markt auch hinterher sein, um der ein oder anderen eifrigen Verkäuferin schnell genug den Jutebeutel unter die Nase zu halten, bevor sie zur Plastiktüte greift. Doch wenn man ein bisschen trainiert ist, lässt sich der Marktbesuch plastikfrei gestalten, was nur gut sein kann. Insbesondere überzeugte Biobauern schätzen das Mitbringen eigener Taschen oder Gefäße mitunter sehr.

Ebenso kann ich auf dem Markt darauf achten, regional und saisonal einzukaufen. Diesen drei Themen – Verpackung sparen, Regionalität und Saisonalität– sind schon wieder so komplex und wichtig, dass wir ihnen gerne eigene Beiträge widmen möchten (und werden). Fest steht aber, dass sich die drei Aspekte beim Wochenmarkteinkauf recht einfach verbinden lassen: etwa, wenn man einen Saisonkalender zu Rate zieht und ein wenig mit den Verkaufenden redet. Und, dass das insgesamt der Umwelt mehr nutzt als schadet.

 

 

Es geht bunter

Außerdem ist es erfrischend (für den Gaumen und den Geist), dass der Wochenmarkt jede Woche etwas anders aussieht: Jede Jahreszeit schmeckt anders und ist auf ihre Art vielfältig.

Wenn ich meine kulinarisch-saisonale Vorfreude nicht bloß auf die allgemein als saisonal anerkannten Lebensmittel wie etwa Spargel, Erdbeeren und Rhabarber im Frühling beschränke, sondern auch mal frische Tomaten, Zucchini und Auberginen nur im Sommer kaufe, werde ich ungeahnte Geschmackserlebnisse haben. Im Winter werde ich vielleicht herausgefordert, mich jetzt doch mal an Schwarzwurzeln heranzutrauen. Es gibt so unendlich viele leckere Obst- und Gemüsesorten, mit denen man seinen Speiseplan noch bunter machen kann.

In Frankreich wohnend konnte ich beispielsweise den Artischocken, die es ab dem Frühling gibt, nicht widerstehen und habe mir endlich angeeignet, wie man diese Köstlichkeiten zubereitet und isst. Was für ein Genuss!

 

 

Aber ist Markt auf Dauer nicht zu teuer?

Die Kilopreise für Lebensmittel sind im Durchschnitt sicher höher als im herkömmlichen Supermarkt. Doch es gibt andere Faktoren, die beeinflussen, dass man auf dem Markt nicht mehr ausgeben muss, als im Supermarkt oder sogar beim Discounter.

In der Regel isst es sich nämlich tatsächlich günstiger (und auch leckerer und gesünder), je mehr unverarbeitete Lebensmittel man konsumiert. Seien es solche Supermarkteinkäufe wie TK-Pizza, Brotaufstriche oder vorgewaschener Salat im Plastikbeutel – wer sie selbst zubereitet, spart in der Regel Geld. Auch auf dem Markt gibt es natürlich verarbeitete Lebensmittel, zum Beispiel Feinkost oder Käse. Die betrachte ich aber eher als seltenes Luxusgut.

Und: Dadurch, dass ich – wie oben beschrieben – davon ausgehe, insgesamt hochwertigere Lebensmittel zu finden, kaufe ich bewusster ein und verbrauche konsequenter, ohne Reste. Wertschätzung ist das Stichwort. Natürlich ist die Landgurke vom nahegelegenen Bauernhof etwas teurer als das Supermarktäquivalent. Dafür schätze ich den intensiven Geschmack (ja, Gurken schmecken nach etwas!) und damit die einzelne Gurke so sehr, dass ich es bei der einen belasse, die ich auch wirklich gerne haben will, anstatt noch eine zu kaufen, weil sie halt gerade eh im Angebot sind, und damit letztlich genauso viel für läppische Wasserstangen auszugeben, von denen ein Teil dann matschig wird und in der Tonne landet.

Ohnehin unterliegen wir zu oft der Illusion, wir würden uns in die Gefahr eines Hungertodes begeben, wenn wir nicht immer „zur Sicherheit ein bisschen mehr“ im Kühlschank haben. (Und auch ganz abgesehen von dem Plastikhülle-um-eine-einzelne-Biogurke-Irrsinn und der höheren Wahrscheinlichkeit, dass meine Supermarkt-Gurke nur durch ausbeuterische Händlerbeziehungen so billig sein kann.)

 

Die eigenen Sinne benutzen

Zum Schluss kommt vielleicht, nach vielem Abwägen dessen, was ethisch gut am Markteinkauf ist, das direktere Argument: Jeder Marktbesuch ist ein sinnliches Erlebnis, das meine Kreativität anregt.

Anstatt mich auf Markennamen zu verlassen, muss ich mir selbst bewusst werden, was ich genau brauche, auf was ich Lust habe und wo ich es in guter Qualität finde. Ich verlasse mich mehr auf das, was ich rieche, fühle und sehe.

Durch den Kontakt mit den Verkaufenden, die oftmals auch selbst zu den Erzeugenden gehören, kann ich vieles über mein Obst und Gemüse erfahren, gelegentlich etwas probieren und ich habe immer wieder nette Gespräche. Und wenn ich meinen Markt regelmäßig besuche, werde ich wiedererkannt und freue mich auf meine Lieblingsstände, wie etwa den Apfelstand auf dem Mainzer Wochenmarkt, der mich erfahren ließ, dass Topaz die Apfelsorte meiner Träume ist.

Eben weil es mir Spaß macht und mir guttut, nehme ich mir das Bisschen mehr Zeit, auf den Markt zu gehen. Gerade duftet meine Küche nach Basilikum, der so intensiv schmeckt, wie es nur im Sommer geht, und aussieht, als wäre er geradewegs von einem provenzalischen Garten zu mir rübergewachsen. Das ist eine kleine Sache, die mich mit Freude erfüllt.

 

 

Natürlich gibt es, was die ökologische Nachhaltigkeit betrifft, noch vorteilhaftere Arten, Lebensmittel einzukaufen. Solidarische Landwirtschaft ist etwas, womit ich mich gerne auseinandersetzen möchte, ein eigener Obstgarten ist ein Zukunftstraum und ich könnte mehr Foodsharing betreiben. Meine jetzige Lebenssituation (häufiges Umziehen, meist nur für mich selbst sorgend) spielt da etwas mit rein. Aber bis dahin erforsche ich mit Freude die Wochenmärkte der Städte, in denen ich lebe.